domingo, 26 de outubro de 2008

Peter Bürger sobre Dialética do Esclarecimento

Respondendo a uma enquete feita pelo Die Zeit em 2000, sobre "Meu livro do século", Peter Bürger escolheu a Dialética do Esclarecimento, de Adorno e Horkheimer. Uma tradução do texto de Bürger se encontra aqui. Abaixo, o original alemão.

Mein Jahrhundertbuch
Peter Bürger: "Dialektik der Aufklärung" von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno

Es ist heute schwer mehr vorstellbar, was für die Generation der in der Adenauer-Republik der fünfziger Jahre Großgewordenen die Entdeckung der Texte Adornos bedeutete, als sie Anfang der sechziger Jahre in der edition suhrkamp und anderen Taschenbuchreihen zu erscheinen begannen: Eingriffe, Drei Studien zu Hegel, Ohne Leitbild, Prismen, Kulturkritik und Gesellschaft. Was bislang eher ein dumpfes Unbehagen an den Verhältnissen war, wurde hier auf den Begriff gebracht. Was wir als Atemnot erlebten, wurde Gegenstand der Kritik.


Der Weg zur Lektüre der Dialektik der Aufklärung war damit allerdings noch nicht gebahnt. Auf das Kapitel über die Sirenen-Episode der Odyssee stieß ich Mitte der sechziger Jahre beim Blättern im ersten Jahrgang der von Peter Huchel in Ost-Berlin herausgegebenen Zeitschrift Sinn und Form neben Texten von Benjamin, Block, Lukács und Werner Krauss. Das Buch aber war weder im Handel noch in der Bonner Universitätsbibliothek zu bekommen; lesen konnte ich es schließlich in der Präsenzbibliothek des Bundestages. Die Voraussetzungen zu seinem Verständnis hatten mir die Schule und die Universität der fünfziger Jahre freilich nicht vermittelt, sie mußte ich mir im Selbststudium erarbeiten.

Doch schon damals, so will mir heute scheinen, faszinierte mich etwas, was ich später in Hegels Phänomenologie des Geistes wiederfinden sollte: ein Denken, das seinen Anstoß aus der Literatur empfing. Zwar irritierte mich zunächst der Gestus der Darstellung, der jeder historischen Analyse zu spotten schien, wenn die Autoren den an den Mast gefesselten Odysseus, der dem Gesang der Sirenen lauscht, mit einem Konzertbesucher, seine Gefährten aber, die mit verstopften Ohren aus Leibeskräften rudern müssen, mit modernen Fabrikarbeitern vergleichen. Nach und nach aber wurde mir deutlich, daß es hier nicht um Interpretation ging, sondern darum, aus der Konstellation von Gestalten und Ereignissen des vorzeitlichen Epos die Konturen des modernen Subjekts herauszulesen. Offenbar machten die Autoren sich die Tatsache zunutze, daß das Homerische Epos eine Vielzahl von Kategorien - Lust und Entsagung, Selbstbehauptung und Selbstpreisgabe, Herrschaft, Arbeit und Kunst - in einen komplexen und zugleich beweglichen Zusammenhang brachte, der das Subjekt als Resultat eines dialektischen Prozesses zu denken erlaubte: Das Ich lebt nicht zunächst in der unmittelbaren Befriedigung seiner Bedürfnisse, auf die es dann zu verzichten lernt; vielmehr verdankt es seine Selbstbehauptung dem Verzicht, weshalb sich ihm das Bild des Glücks mit dem Verlangen nach Selbstverlust verbindet. "Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen war, und etwas davon wird noch in jeder Kindheit wiederholt. (...) Die Angst, das Selbst zu verlieren und mit dem Selbst die Grenze zwischen sich und anderem Leben aufzuheben, die Scheu vor Tod und Destruktion, ist einem Glücksversprechen verschwistert, von dem in jedem Augenblick die Zivilisation bedroht war." Sätze wie diese erhellten nicht nur das Unbehagen an der Gesellschaft, sie eröffneten zugleich einen Zugang zu eigenen Ambivalenzerfahrungen, deren gesellschaftliche Bedingungen sie benannten. Freilich, daß es Glück nur im Bereich der Kunst geben sollte, aus dem die Praxis gewaltsam verbannt war, das wollte ich damals nicht wahrhaben und suchte in den Schriften der Surrealisten nach den Spuren eines Denkens, für das das ganz Andere jederzeit möglich war.

Peter Bürger, geboren 1936, ist Professor für Allgemeine Literaturwissenschaften und Romanische Literatur an der Universität Bremen

Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente; Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1997; 275 S., 19,90 DM.


Fonte: Die Zeit

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